Gauß auf Java
Ein mathematischer Reisebericht
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Kreisteilung konkret

Ehe wir zum Kern der Kreisteilungslehre kommen, haben wir noch einige kurze Vorbereitungen zu erledigen. Insbesondere zeigen wir, dass es genügt, sich bei allen weiteren Überlegungen auf regelmäßige Vielecke mit primer Eckenzahl zu beschränken, ehe wir anschließend versuchen, am konkreten Beispiel des Siebzehnecks den Gaußschen Gedankengang nachzuvollziehen. Die allgemeinen abstrakten Überlegungen folgen im nächsten Kapitel.

Zunächst aber wollen wir uns aus den unendlichen Gefilden der ganzen Zahlen $\mathbb{Z},$ in denen wir uns bisher bewegt haben, ins überschaubare Endliche begeben.

Rechnen mit Restklassen

Für die $q$-ten Einheitswurzeln gilt die Identität $\zeta^{q+k} = \zeta^q\zeta^k = \zeta^k$ oder noch allgemeiner \[\zeta^{nq+k} = (\zeta^q)^n\zeta^k = \zeta^k\eqndot \] Bei den Exponenten der $q$-ten Einheitswurzeln interessieren also praktisch nur die Reste , die sie bei Division durch $q$ haben.

Dass man mit diesen Resten fast genau so rechnen kann wie mit normalen ganzen Zahlen, wusste man wahrscheinlich schon lange. Es ist kaum vorstellbar, dass diese Tatsache einem Euler verborgen geblieben wäre. Aber es war wieder Gauß, der Rechnungen mit Resten in [Gauß 1801] systematisch eingeführt hat und von Gauß stammt die heute noch verwendete Notation und Definition für $a,b \in \mathbb{Z}$ und $q > 0, q \in \mathbb{N}$: \[a \equiv b \pmod{q}\] genau dann, wenn \[a - b = nq\] für ein $n \in \mathbb{Z}.$

Man spricht davon, dass $a$ kongruent  $b$ modulo  $q$ ist. Der Ausdruck $a - b = nq$ besagt, dass $a-b$ durch $q$ teilbar ist, oder nach Umformung zu $a = nq+b,$ dass $a$ bei Division durch $q$ den Rest $b$ hat, daher der Bestandteil Rest  im Namen Restklasse .

Der Bestandteil Klasse  hat seinen Ursprung in der Tatsache, dass die Relation $a \equiv b \pmod{q}$ eine Äquivalenzrelation  ist, das heißt folgende Bedingungen erfüllt:

Eine Äquivalenzrelation erlaubt es, alle Elemente, die zueinander äquivalent sind, in einer Klasse zusammenzufassen, wobei sich viele Eigenschaften der Elemente auf die Klassen vererben. Man nennt eine solche Klasse Äquivalenzklasse .

Eine Restklasse ist demnach eine spezielle Äquivalenzklasse von ganzen Zahlen bezüglich der Kongruenz als Äquivalenzrelation. Bei der Bezeichnung von Restklassen hat sich kein einheitlicher Standard eingebürgert, für die Restklasse $\{x \in \mathbb{Z}: x \equiv a \pmod{q}\}$ aller $x$, die zu einem gegebenen $a$ kongruent sind, schreibt man etwa $a+q\mathbb{Z}$ oder $\bar{a}_q$ oder auch $[a]_q.$ Wir werden die letztgenannte Bezeichnung verwenden[1] , also: \[[a]_q := \{x \in \mathbb{Z}: x \equiv a \pmod{q}\}\] Die positive ganze Zahl $q$ nennt man den Modul  oder Modulus  der Restklasse $[a]_q.$

Es scheint wieder einmal vom Bundesland abhängig zu sein, ob das Rechnen mit Restklassen am Gymnasium zum Standardangebot des gymnasialen Mathematikunterrichts gehört. Immerhin gibt es unter [Duden 2010] eine Seite, die angeblich den Stoff enthält, den man zu diesem Thema beim Abitur wissen sollte.

Ich spare mir daher, detaillierter auf die Grundlagen einzugehen und empfehle dazu die genannte Seite – viel mehr als dort zu finden ist, wird hier nicht vorausgesetzt. Wer möchte, sollte zur Übung die Reflexivität, Symmetrie und Transitivität mit Hilfe der Gaußschen Definition beweisen und ebenso zeigen, dass die Definition von $[a]_q$ unabhängig von der speziellen Wahl des Repräsentanten  $a$ ist, das also gilt: $[a]_q = [b]_q$ wenn $a \equiv b \pmod{q}.$

Die Unabhängigkeit von der Wahl des Repräsentanten, erlaubt es, die Restklassen so zu benennen, wie es für die gerade anstehende Überlegung bequem ist. Meist nimmt man die kleinsten positiven Repräsentanten, beispielsweise \[[0]_7, [1]_7, [2]_7, [3]_7, [4]_7, [5]_7, [6]_7\eqncomma\] manchmal aber auch die betragsmäßig kleinsten Repräsentanten \[[0]_7, [1]_7, [2]_7, [3]_7, [-3]_7,[-2]_7, [-1]_7\eqndot\]

Oft, und das werden wir im Folgenden ebenfalls so machen, vergisst  man einfach, dass man mit Restklassen rechnet und schreibt sie wie ganze Zahlen. Statt \[[5]_7 = [-2]_7\] schreibt man bequemer \[5 \equiv -2 \pmod{7} \eqndot\] Addition, Subtraktion und Multiplikation führt man in der Weise aus, dass man ganz normal in $\mathbb{Z}$ rechnet und das Ergebnis modulo  des Modulus reduziert , etwa \[3 + 4\times6 = 27 \equiv -1 \pmod{7}\eqndot\]

Die Restklassen$\pmod{q}$ bilden einen Ring , d.h. man kann Addition, Subtraktion und Multiplikation von Restklassen beliebig ausführen. Darin ähneln sie den ganzen Zahlen $\mathbb{Z},$ für die das ebenfalls gilt. Man bezeichnet diesen Restklassenring mit $\mathbb{Z}/q\mathbb{Z}$ oder mit $\mathbb{Z}_q$ und seine Elemente sind eigentlich die $[a]_q,$ die wir aber aus Bequemlichkeit immer als $a$ mit $a \in \mathbb{Z}$ schreiben.

Wie in $\mathbb{Z}$ macht auch in $\mathbb{Z}/q\mathbb{Z}$ die Division Probleme. In $\mathbb{Z}$ hat beispielsweise die Divisionsaufgabe $4 : 3$ keine Lösung, die Aufgabe $4 : 2$ aber schon. Anders als bei den ganzen Zahlen $\mathbb{Z},$ die man durch Hinzunahme aller echten Brüche zu den rationalen Zahlen $\mathbb{Q}$ erweitern muss, damit alle Divisionsaufgaben lösbar sind, gibt es bei den Restklassenringen $\mathbb{Z}/q\mathbb{Z}$ von Natur aus solche, bei denen jede Divisionsaufgabe lösbar ist, abgesehen von der Division durch $0,$ die immer und überall verboten bleibt.

Dies ist genau dann der Fall, wenn der Modulus $q$ eine Primzahl ist. Wir wollen hier jedoch eine etwas allgemeinere Divisionsregel in Restklassen  aufstellen, weil wir später manchmal Divisionen durchführen wollen, wenn der Modulus keine Primzahl ist. Sei also $q$ prim oder zusammengesetzt und es gelte \[ka \equiv kb \pmod{q}\eqndot \] Wenn in $\mathbb{Z}/q\mathbb{Z}$ jede Divisionsaufgabe lösbar wäre, könnte man sofort folgern $a \equiv b \pmod{q}.$ Wir können für beliebiges $q$ jedoch nur zeigen \[a \equiv b \pmod{q/d}\eqncomma \] wenn $d = \gcd(k,q)$ der größte gemeinsame Teiler[2] von $k$ und $q$ ist. Der Beweis basiert auf dem sogenannten Lemma von Bêzout , dessen Beweis sich in jedem Algebra-Lehrbuch[3], in der Wikipedia oder auf den -Seiten bei den Mathematischen Marginalien findet, nämlich dass für $d = \gcd(k,q)$ immer eine Darstellung $uk + vq = d$ mit $u,v \in \mathbb{Z}$ existiert

Mit diesen Bezeichnungen folgt nun: $$ \begin{align*} d(a-b) &= (uk+vq)(a-b) \\ d(a-b) &= (ka-kb)u + q(a-b)v \\ \end{align*} $$ Wenn nun gilt $ka \equiv kb \pmod{q}$, also $ka-kb \equiv 0 \pmod{q},$ ergibt sich aus der obigen Gleichung: $$ \begin{align*} d(a-b) &\equiv (ka-kb)u + q(a-b)v \pmod{q}\\ d(a-b) &\equiv 0 \pmod{q}\\ d(a-b) &= sq, \quad \text{mit einem geeigneten} \quad s \in \mathbb{Z}\\ a-b &= s(q/d) \\ a-b &\equiv 0\pmod{q/d}\\ a &\equiv b \pmod{q/d}\eqncomma\\ \end{align*} $$

Wenn der Modulus $q$ eine Primzahl ist, gilt für alle  $k$ mit $1 \leq k \lt q,$ dass $d = \gcd(k,q) = 1$ ist. Also ist $q/d = q$ und die Kongruenz $ka \equiv kb \pmod{q}$ kann wie gewohnt gekürzt werden. Aus dem Lemma von Bézout mit $d=1$ lässt sich sofort das Inverse zu $k$ berechnen, man findet nämlich ein $u \in \mathbb{Z}$ mit: \[uk = 1 - vq = (-v)q + 1 \] oder mit anderen Worten \[uk \equiv 1 \pmod{q}\eqndot\] Eventuell muss man noch $u \pmod{q}$ reduzieren und hat damit für jedes $k \neq 0$ ein Inverses $u = 1/k = k^{-1}$ in dem Restklassenring gefunden. Jede Division lässt sich so einfach als Multiplikation mit dem Inversen ausführen.

Wenn umgekehrt $q$ keine Primzahl ist, gibt es eine Zerlegung $q = rs,$ wobei $1 \lt r,s \lt q$ gilt. Das heißt aber $rs \equiv 0 \pmod{q}.$ Wenn es nun zu $r$ ein Inverses $r^{-1}$ gäbe, hätten wir \[1 \equiv r^{-1}r \equiv r^{-1}(r + rs) \equiv 1 + s\ \pmod{q} \eqncomma\] woraus $s \equiv 0 \pmod{q}$ folgt im Widerspruch zur Voraussetzung $1 \lt r,s \lt q.$

Der Restklassenring $\mathbb{Z}/q\mathbb{Z}$ ist daher in Wahrheit ein Körper  genau dann, wenn $q$ eine Primzahl ist, d.h. in ihm lassen sich Addition, Subtraktion, Multiplikation und Division unbeschränkt ausführen. Das ist einer der Gründe, warum wir im nächsten Abschnitt versuchen werden, unsere Konstruierbarkeitsüberlegungen auf Vielecke mit primer Eckenzahl zu beschränken.

Beschränkung der Eckenzahl auf Primzahlen

Dazu stellen wir zunächst fest, dass mit jedem regelmäßigen $n$-Eck auch das $2n$-Eck, das $4n$-Eck und allgemein das $(2^k\cdot n)$-Eck konstruierbar ist, denn dazu muss nur der Winkel $\cos(2\pi/n)$ fortlaufend halbiert werden und das ist eine elementare Konstruktion mit Zirkel und Lineal, die schon in der Schule gelehrt wird.

Umgekehrt ist mit jedem $(2^k\cdot n)$-Eck das $n$-Eck konstruierbar, man hat lediglich jeden $2^k$-ten Eckpunkt mit dem Lineal reihum zu verbinden.

Analog sieht man, dass ein konstruierbares $(m\cdot n)$-Eck immer die Konstruierbarkeit des $m$-Eck und des $n$-Ecks impliziert, indem man jede $n$-te bzw. $m$-te Ecke verbindet.

Etwas komplizierter ist nur der Nachweis, dass mit der Konstruktion des $m$-Ecks und des $n$-Ecks die Konstruktion des $(m\cdot n)$-Ecks gegeben ist – und das ist auch nur für teilerfremde  $m,n$ richtig.

Nach Voraussetzung sind die Einheitswurzeln $\zeta_m$ und $\zeta_n$ konstruierbar (hier benötigen wir den Index zur Unterscheidung der $m$-ten und der $n$-ten Einheitswurzeln). Es ist jede Potenz dieser Einheitswurzeln konstruierbar, insbesondere sind die Potenzen $\zeta_m^b$ und $\zeta_n^a$ konstruierbar, wobei $a$ und $b$ wegen der Teilerfremdheit von $m$ und $n$ mit Hilfe des allgegenwärtigen Lemmas von Bêzout so gewählt werden können, dass $am + bn = 1$ gilt.

Das Produkt der beiden Potenzen ist ebenfalls konstruierbar und wir haben: $$ \begin{align*} \zeta_m^b\zeta_n^a &= e^{\frac{2\pi\I b}{m}}e^{\frac{2\pi\I a}{n}}\\ &= e^{\frac{2\pi\I bn}{mn}}e^{\frac{2\pi\I am}{mn}} \\ &= e^{\frac{2\pi\I(am+bn)}{mn}}\\ &= e^{\frac{2\pi\I}{mn}} = \zeta_{mn} \end{align*} $$ Man beachte, dass $a$ oder $b$ negativ sein können, aber wegen $x^{-a} = 1/{x^a}$ hat das auf die Konstruierbarkeit der Potenzen keinen Einfluss, für eine $n$-te Einheitswurzel gilt sogar \[\zeta_n^{-a} = \frac{1}{\zeta_n^a} = \zeta_n^{n-a} \eqncomma\] so dass man ohne Division auskommt. Wir erinnern uns, dass die Multiplikation von komplexen Zahlen mit Betrag $1$ durch Addition der Argumente (Polarwinkel) geschieht. Die Konstruktion eines $mn$-Ecks läuft somit auf geschickte Addition und Subtraktion von Vielfachen der Zentriwinkel des $m$-Ecks und des $n$-Ecks hinaus. Man überlege sich etwa, wie man aus den Zentriwinkeln des Dreiecks (120°) und des Fünfecks (72°) den Zentriwinkel des 15-Ecks (24°) konstruiert.

Damit ist gezeigt, dass wir uns im weiteren Verlauf nicht mehr um $n$-Ecke mit irgendeiner zusammengesetzten Zahl $n$ kümmern müssen, sondern uns guten Gewissens nur noch mit $p$-Ecken beschäftigen dürfen, wobei $p$ eine (ungerade) Primzahl ist.

Das Quadrat fällt in diesem Zusammenhang etwas aus dem Rahmen. Es gehört ja eigentlich zu den $(2^k\cdot n)$-Ecken mit $k=1$ und dem zugehörigen primen $2$-Eck als Ausgangspunkt. Nun kann man das $2$-Eck nur mit äußerstem Wohlwollen als reguläres Vieleck auffassen, obwohl bei der Konstruktion des Quadrats wie bei den übrigen $2n$-Ecken der Zentriwinkel des $2$-Ecks von 180° halbiert wird. Deshalb steht oben der Zusatz ungerade und das Quadrat wird auf diesen Seiten mit dem Mantel des Schweigens bedeckt.

Fermatsche Primzahlen

Die Primzahleigenschaft ist deswegen unverzichtbar, weil es jetzt darum geht, die Einheitswurzeln in die Ordnung zu bringen, die Gauß zuerst für das Siebzehneck entdeckt hat, und die es erlaubt, Summen von Einheitswurzeln als Quadratwurzelausdrücke darzustellen. Wir haben bereits gesehen, dass \[\zeta^{p-1}+\zeta^{p-2}+\dots+\zeta^2+\zeta=-1\] gilt und dass ferner \[\zeta + \zeta^{p-1} = 2cos(2\pi/p)\] ist. Gauß hat nun erkannt, wie man von der Summe aller  Einheitswurzeln sukzessive durch Halbieren der Anzahl der Summanden bis zu der Summe aus zwei  Einheitswurzeln absteigen und dabei jede neue Summe als Quadratwurzelausdruck der alten Summen darstellen kann. Damit das funktioniert, muss $p$ nicht nur eine Primzahl, sondern $p-1$ muss darüber hinaus eine Zweierpotenz sein, sonst wäre die fortgesetzte Halbierung der Summandenzahl nicht möglich. Warum die Primzahleigenschaft wichtig ist, werden wir später sehen, zunächst wollen wir die Eigenschaft, dass $p-1$ eine Zweierpotenz ist, genauer untersuchen.

Es ist also $p = 2^k+1.$ Solche Primzahlen nennt man Fermatsche Primzahlen , benannt nach dem für seine Randnotizen berühmten Pierre de Fermat (1607-1665). $2^k+1$ kann nur dann eine Primzahl sein, wenn $k$ selbst eine Zweierpotenz ist. Zum Beweis mache man sich zunächst klar, dass für alle $z \in \mathbb{Z}$ gilt \[z \equiv -1 \pmod{z+1}\eqndot\] Wäre $k$ nun keine Zweierpotenz, enthielte es mindestens einen ungeraden Faktor $u,$ ließe sich also in der Form $k = tu$ mit $1 \leq t,u \lt n$ und ungeradem $u$ schreiben. Dann hat man \[2^k+1 \equiv (2^t)^u +1 \equiv (-1)^u + 1 \equiv 0 \pmod{2^t+1} \eqndot\] $2^k+1 = (2^t)^u + 1$ ist somit durch $2^t+1$ teilbar und mithin keine Primzahl.

Für $p = 2^{2^n}+1$ und für $n=0,1,2,3,4$ ergeben sich die Fermatschen Primzahlen $3, 5, 17, 257$ und $65537.$ Fermat selbst glaubte noch, dass alle Fermatzahlen der Form $2^{2^n}+1$ Primzahlen sind, aber schon für $n=5$ zeigte Euler, dass die Zahl \[2^{2^5} = 4294967297 = 641 \cdot 6700417\] zusammengesetzt ist. Für alle $n \le 32$ hat man die Fermatzahlen untersucht, aber bis heute[4] keine weitere Primzahl gefunden.

Gaußsche Perioden und primitive Elemente

Warum aber muss $p$ unbedingt eine Primzahl sein? Das hängt damit zusammen, wie die Summen der Einheitswurzeln gebildet werden. Wir beschreiben dieses Verfahren zunächst, ohne eine Begründung zu geben, diese wird später nachgeholt. Die Summen von Einheitswurzeln, die auf diese Art gebildet werden, nennt man Gaußsche Perioden . Die erste oder besser $0$te Gaußsche Periode ist identisch mit der bekannten Summe $\zeta^{p-1}+\zeta^{p-2}+\dots+\zeta^2+\zeta=-1,$ allerdings wird die Reihenfolge der Summanden umgestellt, und wir werden nun erläutern, in welcher Weise:

Wenn $p$ eine Primzahl ist, gibt es im Restklassenring (oder besser Restklassenkörper) $\mathbb{Z}/p\mathbb{Z}$ Elemente $\omega,$ so dass bis auf die $0$ jedes Element von $\mathbb{Z}/p\mathbb{Z}$ eindeutig in der Form $\omega^k$ mit $0 \leq k \lt p-1$ dargestellt werden kann. Ein solches $\omega$ nennt man primitives Element oder Primitivwurzel [5] (Wir bleiben bei der Bezeichnung primitives Element, um neben den Einheitswurzeln und unseren Wurzelausdrücken nicht noch eine weitere Art von Wurzeln unterscheiden zu müssen.)

So ist etwa $5$ ein primitives Element in $\mathbb{Z}/7\mathbb{Z}$: \[ \begin{array}{rrrrrrr} 5^0,& 5^1,& 5^2,& 5^3,& 5^4,& 5^5&\pmod{7} \\ 1,& 5,& 4,& 6,& 2,& 3&\pmod{7} \end{array} \] aber $2$ ist kein primitives Element in $\mathbb{Z}/7\mathbb{Z}$: \[ \begin{array}{rrrrrrr} 2^0,& 2^1,& 2^2,& 2^3,& 2^4,& 2^5&\pmod{7} \\ 1,& 2,& 4,& 1,& 2,& 4&\pmod{7} \end{array} \] denn es erzeugt nur die drei Elemente $1,2$ und $4.$

Hierbei berechnet man natürlich tunlichst keine 4ten und 5ten Potenzen, sondern kommt von einem Exponenten zum nächsten, indem man mit $5$ bzw. $2$ multipliziert und gleich$\pmod {7}$ reduziert.

Da uns bei den Einheitswurzeln nur die Exponenten ungleich $0$ interessieren, können wir, wenn $p$ eine Primzahl ist, die Exponenten von so einem primitiven Element erzeugen lassen und Gauß legte für seine $0$-te Periode fest, dass die Exponenten in der Reihenfolge auftreten, wie sie durch fortlaufende Potenzen eines primitiven Elements erzeugt werden: \[\zeta^{\omega^0}+\zeta^{\omega^1}+\zeta^{\omega^2}+\dots\] Ebenfalls in Anlehnung an Gauß hat es sich eingebürgert, die $3$ als primitives Element zu nehmen, was für alle Fermatschen Primzahlen $\geq 5,$ d.h. für alle uns interessierenden Fälle, funktioniert.

Zur Veranschaulichung schreiben wir die $0$te Gaußsche Periode für $p = 17$ hin: \[\zeta^{3^0}+\zeta^{3^1}+\zeta^{3^2}+\dots+\zeta^{3^{15}} \eqncomma\] \[\zeta^1 + \zeta^3 +\zeta^9 + \zeta^{10} + \zeta^{13} + \zeta^{5}+\zeta^{15}+\zeta^{11}+\zeta^{16}+\zeta^{14}+\zeta^{8}+\zeta^{7}+\zeta^{4}+\zeta^{12}+\zeta^{2}+\zeta^{6}\] Wenn man den Exponenten im letzten Summanden $\zeta^6$ nochmals mit $3$ multipliziert, bekommt man $\zeta^{18}=\zeta^1,$ daher der Name Periode. Man sieht, dass die $0$te Gaußsche Periode tatsächlich alle Einheitswurzeln bis auf $\zeta^0 = 1$ enthält, der Wert der Summe ist demnach $-1.$ Man sieht ferner, dass jeder Summand in der Periode aus seinem Vorgänger durch Potenzieren$\pmod{p}$ mit dem primitiven Element erzeugt wird und der erste Summand durch Potenzieren des letzten, denn es ist \[\zeta^{\omega^{n+1}} = \zeta^{\omega^n\omega} = (\zeta^{\omega^n})^\omega\eqndot\]

Zwei bemerkenswerte Eigenschaften

Zwei bemerkenswerte Eigenschaften von primitiven Elementen, die später noch eine Rolle spielen werden, seien hier vorgestellt:

Wir hatten gesehen, dass $\mathbb{Z}/p\mathbb{Z}$ für prime $p$ ein Körper ist. Das lässt sich auch etwas anders formulieren: Es gibt in $\mathbb{Z}/p\mathbb{Z}$ zwei Verknüpfungen, Addition und Multiplikation (Subtraktion und Division betrachtet man als Addition und Multiplikation mit dem jeweiligen Inversen), so dass $\mathbb{Z}/p\mathbb{Z}$ bezüglich der Addition eine Gruppe  bildet und $\mathbb{Z}/p\mathbb{Z}\backslash\{0\}$ bezüglich der Multiplikation ebenfalls eine Gruppe bildet. Man nennt diese Gruppen innerhalb des Körpers die additive  bzw. die multiplikative  Gruppe in $\mathbb{Z}/p\mathbb{Z}$ und bezeichnet sie mit $\mathbb{Z}/p\mathbb{Z}^{+}$ bzw. $\mathbb{Z}/p\mathbb{Z}^{\times}$

Wer nicht (mehr) genau weiß, was in der Mathematik eine Gruppe ist und dies nicht in der Wikipedia nachschlagen möchte, sei beruhigt: Wir verwenden paktisch nur die Tatsache, dass in einer Gruppe eine  Verknüpfung definiert ist, (im Gegensatz zu zweien  beim Körper), die einschließlich der zu ihr inversen Verknüpfung unbeschränkt ausführbar ist.

Mit Hilfe eines primitiven Elements lässt sich nun eine Verbindung zwischen der multiplikativen Gruppe $\mathbb{Z}/p\mathbb{Z}^{\times}$ und der additiven Gruppe $\mathbb{Z}/(p-1)\mathbb{Z}^{+}$ herstellen.

Aus Platzgründen wählen wir zur Verdeutlichung diesmal das Beispiel des primitiven Elements $3$ in $\mathbb{Z}/5\mathbb{Z}.$ Wir stellen dazu eine Multiplikationstafel$\pmod{5}$ auf:

$\times$ $0$ $1=3^0$ $2=3^3$ $3=3^1$ $4=3^2$
$0$ $0$ $0$ $0$ $0$ $0$
$1=3^0$ $0$ $1=3^{0+0}$ $2=3^{0+3}$ $3=3^{0+1}$ $4=3^{0+2}$
$2=3^3$ $0$ $2=3^{3+0}$ $4=3^{3+3}$ $1=3^{3+1}$ $3=3^{3+2}$
$3=3^1$ $0$ $3=3^{1+0}$ $1=3^{1+3}$ $4=3^{1+1}$ $2=3^{1+2}$
$4=3^2$ $0$ $4=3^{2+0}$ $3=3^{2+3}$ $2=3^{2+1}$ $1=3^{2+2}$

Man sieht, dass die von $0$ verschiedenen Elemente von $\mathbb{Z}/5\mathbb{Z}$ unter der Multiplikation eine Gruppe  bilden. Jedes dieser Elemente lässt sich als Potenz des primitiven Elements $3$ schreiben und die Exponenten werden$\pmod{4}$ addiert , wenn die Elemente selbst$\pmod{5}$ multipliziert  werden. Die Exponenten können mit der additiven Gruppe $\mathbb{Z}/4\mathbb{Z}^{+}$ identifiziert werden.

Allgemein definiert man mit Hilfe des primitiven Elements eine Abbildung von Gruppen: \[ \require{AMScd} \begin{CD} \mathbb{Z}/p\mathbb{Z}^{\times} @>f>> \mathbb{Z}/(p-1)\mathbb{Z}^{+}\\ @. @. @.\\ \omega^k @>f>> k \end{CD} \] Man sieht sofort, dass $f$ wohldefiniert  ist, d.h. für jedes Element von $\mathbb{Z}/p\mathbb{Z}^{\times}$ eindeutig feststeht, worauf es abgebildet wird (die Darstellung durch Potenzen eines primitiven Elements war ja eindeutig). Außerdem kann man leicht nachrechnen, dass \[f(\omega^k\cdot\omega^j) = f(\omega^{k}) + f(\omega^{j})\] gilt. Das gleiche gilt entsprechend für die Umkehrabbildung \[ \begin{CD} \mathbb{Z}/(p-1)\mathbb{Z}^{+} @>f^{-1}>> \mathbb{Z}/p\mathbb{Z}^{\times}\\ @. @. @.\\ k @>f^{-1}>> \omega^k \end{CD} \]

Eine solche Abbildung, die die Gruppenverknüpfung respektiert und eine Umkehrabbildung besitzt, nennt man einen Isomorphismus  zwischen den beteiligten Gruppen und man vergisst  meist, dass die Gruppen nur isomorph sind, sondern behandelt sie, als ob sie gleich wären. Die erste bemerkenswerte Eigenschaft  ergibt sich aus dieser Isomorphie:

Angenommen es gilt \[\omega^k \equiv \omega^m \pmod{p} \eqndot\] Das heißt ja \[\frac{\omega^k}{\omega^m} \equiv 1 \pmod{p} \eqndot\] Unter dem Isomorphismus $f$ haben wir \[f(\frac{\omega^k}{\omega^m}) \equiv 0 \pmod{p-1}\] also \[f(\omega^k)-f(\omega^m) \equiv 0 \pmod{p-1}\] nach Definition von $f$ somit \[k-m \equiv 0 \pmod{p-1}\] und schließlich \[k \equiv m \pmod{p-1} \eqndot\]

Wir haben gezeigt:

Erste bemerkenswerte Eigenschaft primitiver Elemente: Sei $\omega$ ein primitives Element aus $\mathbb{Z}/p\mathbb{Z}^{\times}.$ Aus der Kongruenz der Potenzen des primitiven Elements $\omega^k \equiv \omega^m \pmod{p}$ folgt die Kongruenz der Exponenten $k \equiv m \pmod{p-1}.$

Die zweite bemerkenswerte Eigenschaft  bezieht sich auf die Darstellung der $-1$ als Potenz von $\omega.$ Es ist \[1 \equiv \omega^{p-1} \equiv (\omega^{(p-1)/2})^2 \pmod{p}\eqndot\] also gilt \[\omega^{(p-1)/2} \equiv \pm 1\pmod{p}\eqndot\] Der Wert $+1$ scheidet aber aus, da dieser Wert schon von $\omega^{p-1}$ angenommen wird, somit ist $-1 \equiv \omega^{(p-1)/2} \pmod{p}$ und wir haben:

Zweite bemerkenswerte Eigenschaft primitiver Elemente: Sei $\omega$ ein primitives Element aus $\mathbb{Z}/p\mathbb{Z}^{\times}.$ Dann gilt: $ -1 \equiv \omega^{(p-1)/2} \pmod{p} $

Teilen und herrschen

Nach dieser allgemeinen Vorbereitung wenden wir uns für den Rest des Kapitels wieder dem Siebzehneck zu, es gilt also $p=17.$ Ausgehend von der 0ten Gaußschen Periode, die wir von nun an mit $p_{0,0}$ bezeichnen wollen, beginnen wir jetzt den Abstieg und halbieren bei jedem Schritt die Periodenlänge, mit dem Ziel schließlich eine Periode der Länge $2$ zu erreichen, etwa $\zeta + \zeta^{p-1}.$

Wenn man das Prinzip verfolgt, dass die beiden durch Halbieren entstehenden Perioden eben wieder Perioden  sein sollen, dass also jeder Summand aus seinem Vorgänger durch Potenzieren$\pmod{p}$ hervorgehen soll, ist die Art und Weise, wie man eine Periode halbiert, erzwungen: Wir sortieren einfach nach den geraden und ungeraden $3$er Potenzen, was nichts anderes heißt, als jeden zweiten Summanden herzunehmen: \[p_{1,0} = \zeta^1 + \zeta^9+ \zeta^{13} +\zeta^{15}+\zeta^{16}+\zeta^{8}+\zeta^{4}+\zeta^{2}\eqncomma\] \[p_{1,1} = \zeta^3 + \zeta^{10} + \zeta^{5}+\zeta^{11}+\zeta^{14}+\zeta^{7}+\zeta^{12}+\zeta^{6}\eqndot\] Dabei führen wir gleich die Notation ein, die später durch das Java-Programm erzeugt wird. Den ersten Index $k$ in $p_{k,l}$ bezeichnen wir als Stufe der Periode oder sprechen auch von der $k$-ten Periode. Im Gegensatz zur $0$-ten Periode geht hier jeder Summand nicht durch Potenzieren mit dem Exponenten $3$ aus seinem Vorgänger hervor, sondern durch Potenzieren mit $3^2$ oder allgemein mit $\omega^2,$ alles natürlich$\pmod{p}$ gerechnet.

Eine weitere wichtige Eigenschaft der so entstandenen Gaußschen Perioden sieht man ebenfalls sofort: Zu jeder in der Periode vorkommenden Einheitswurzel $\zeta^k$ ist auch die konjugiert komplexe Einheitswurzel $\bar{\zeta^k} = \zeta^{p-k}$ in der Periode, etwa $\zeta^1$ und $\zeta^{16},$ $\zeta^9$ und $\zeta^8,$ $\zeta^{13}$ und $\zeta^4$ usw. Beim Aufsummieren fallen daher die imaginären Anteile der Einheitswurzeln weg und das Ergebnis ist reell. Für das Siebzehneck lässt sich dieser Tatbestand, wie geschehen, unmittelbar nachprüfen. Dass der numerische Wert aller  durch diese Art der Aufspaltung entstandenen Gaußschen Perioden für jede Fermatsche Primzahl $p$ reell ist, werden wir später zeigen.

Da die beiden Perioden erster Stufe durch Aufteilen der nullten Stufe entstanden sind, hat man sofort $p_{1,0}+p_{1,1} = p_{0,0}.$ Das ist leicht zu sehen, aber jetzt kommt ein weiterer Geistesblitz und es ist sehr gut möglich, dass es genau dieser Zusammenhang war, der Gauß an dem bewussten Morgen plötzlich klar geworden ist. Man kann die Perioden erster Stufe nämlich nicht nur addieren, sondern auch multiplizieren  und was dabei herauskommt, ist in der Tat erstaunlich.

Weil jeder Summand von $p_{1,0}$ mit jedem Summanden von $p_{1,1}$ multipliziert werden muss, bekommt man $8\times8$ Produkte, die dann aufsummiert werden müssen (natürlich alles wieder$\pmod {17}$ berechnet). Es lässt sich eine Multiplikationstafel aufstellen (wir schreiben nur die Exponenten, ohne die Basis $\zeta$). Man beachte, dass bei der Multiplikation der Potenzen der Einheitswurzeln die Exponenten addiert  werden!

Natürlich kann man das Produkt auch von Hand ausrechnen: $$ \begin{align} p_{1,0} \cdot p_{1,1} &= (\zeta^1 + \zeta^9+ \zeta^{13} +\zeta^{15}+\zeta^{16}+\zeta^{8}+\zeta^{4}+\zeta^{2}) \\ &\quad \quad \cdot (\zeta^3 + \zeta^{10} + \zeta^{5}+\zeta^{11}+\zeta^{14}+\zeta^{7}+\zeta^{12}+\zeta^{6}) \\ &= \zeta^{1+3} + \zeta^{1+10} + \dots + \zeta^{2+12} + \zeta^{2+6} \\ &= \zeta^4 + \zeta^{11} + \dots + \zeta^{14} + \zeta^8 \\ &= \dots \end{align} $$ Sie werden zugeben, dass das mühsam ist, aber versuchen Sie es trotzdem und vergleichen Sie Ihr Ergebnis mit dem, was wir durch Auswertung der Multiplikationstafel erhalten (die im Übrigen mit Hilfe eines Tabellenkalkulationsprogramms aufgestellt wurde).

$\times$ 1 9 13 15 16 8 4 2
3 4 12 16 1 2 11 7 5
10 11 2 6 8 9 1 14 12
5 6 14 1 3 4 13 9 7
11 12 3 7 9 10 2 15 13
14 15 6 10 12 13 5 1 16
7 8 16 3 5 6 15 11 9
12 13 4 8 10 11 3 16 14
6 7 15 2 4 5 14 10 8

Mit etwas Mühe verifiziert man, dass alle  Exponenten als Produkte vorkommen und zwar jeder mit der Vielfachheit $4.$ Wenn alles aufsummiert wird, ergibt sich also $4p_{0,0}.$ Wir haben demnach neben \[p_{1,0} + p_{1,1} = p_{0,0} = -1\] noch \[p_{1,0}\cdot p_{1,1} = 4 p_{0,0} = -4\]

und somit eine Darstellung für Summe und Produkt zweier Gaußscher Perioden gefunden, in der keine Fremdkörper in Form von isolierten Einheitswurzeln mehr auftreten. Das sollte bei jedem, der einmal quadratische Gleichungen gelöst hat, ein Licht aufgehen lassen – und ganz bestimmt ist dem jungen Gauß ein Licht aufgegangen, denn nach dem Satz von Vieta gilt, dass die Koeffizienten einer normierten quadratischen Gleichung aus Summe und Produkt der Nullstellen gebildet werden und wenn diese Koeffizienten rationale Zahlen sind, sind die Nullstellen der Gleichung Quadratwurzelausdrücke, in denen ebenfalls nur rationale Zahlen vorkommen: $$ \begin{align*} (x-x_0)(x-x_1)&=0\\ x^2 -x_0 x -x_1 x + x_0 x_1 &= 0 \\ x^2 -(x_0+x_1)x + x_0 x_1 &= 0 \end{align*} $$ Die Koeffizienten sind natürlich die elementarsymmetrischen Ausdrücke, die wir schon beim Kreisteilungspolynom gesehen haben, in ihrer einfachsten Form.

Die Lösung dieser quadratischen Gleichung ist durch die jedem Mittelstufenschüler eingetrichterte Mitternachtsformel  gegeben \[x_{0;1} = \frac{x_0+x_1}{2} \pm \sqrt{(\frac{x_0+x_1}{2})^2 - x_0 x_1}\] oder, leicht umgeformt \[x_{0;1} = \frac{(x_0+x_1) \pm \sqrt{(x_0+x_1)^2-4x_0 x_1}}{2}\eqncomma\] was man leicht nachrechnen kann, wenn man ausmultipliziert und die binomische Formel rückwärts anwendet.

$p_{1,0}$ und $p_{1,1}$ sind also Lösungen der quadratischen Gleichung \[ x^2 -(p_{1,0}+p_{1,1})x + p_{1,0}p_{1,1} = 0 \] eingesetzt \[ x^2 + 1x - 4 = 0 \] und aus der obigen Lösungsformel ergibt sich \[p_{1,0;1,1} = -\frac{1}{2} \pm \frac{1}{2}\sqrt{17}\eqndot\]

Damit ist der erste der für eine Konstruktion mit Zirkel und Lineal so dringend benötigten Quadratwurzelausdrücke gefunden, wobei wir zunächst offen lassen, welches Vorzeichen der Wurzel für $p_{1,0}$ und welches für $p_{1,1}$ zu wählen ist.

Das weitere Vorgehen liegt nun auf der Hand. Wenn es gelingt die Perioden der Stufe $k$ zu halbieren, derart, dass Summe und Produkt dieser Perioden der Stufe $k$ durch rationale Ausdrücke in Perioden der Stufe $k-1$ darstellbar sind, ergeben sich die Perioden der Stufe $k$ als Lösungen einer quadratischen Gleichung, deren Koeffizienten rationale Ausdrücke in Perioden der Stufe $k-1$ sind. Zudem haben wir oben, zumindest beim Beispiel $p = 17,$ gesehen, dass der Wert der Gaußschen Perioden immer reell ist, so dass die Lösungen dieser quadratischen Gleichung das Kriterium für konstruierbare Punkte erfüllen. Wir können uns so bis zu den Gaußschen Perioden der Länge $2$ vorarbeiten und schließlich $\zeta + \zeta^{p-1} = 2\cos(2\pi/p)$ als Quadratwurzelausdruck darstellen.

Für die Summe  zweier durch Aufspaltung erzeugter Gaußscher Perioden ist das kein Problem, denn diese ist nach Konstruktion gleich der aufgespalteten Periode selbst. Für das Produkt  ist der gesuchte rationale Ausdruck nicht so einfach zu finden. Beim Siebzehneck lassen sich die Produkte noch in Tabellenform aufschreiben und für das 257-Eck oder das 65537-Eck leistet das im übernächsten Kapitel vorgestellte Programm genau das, nämlich für die Produkte Gaußscher Perioden die gewünschte Darstellung, sogar als Linearkombination von Perioden der Vorgängerstufe zu finden.

Das Programm ist sozusagen der experimentelle  Beweis, daß diese Darstellung möglich ist, ebenso wie für die Behauptung, dass der numerische Wert der Perioden reell ist. Allerdings erhellt das Programm nicht, warum das Verfahren ausgerechnet diese Aufteilung der Einheitswurzeln, bei der die Exponenten durch Potenzen eines primitiven Elements erzeugt werden, erfordert. Das nächste Kapitels ist daher einer allgemeinen Untersuchung der Produkte von Gaußschen Perioden gewidmet.

Aber zunächst wollen wir das konkrete Beispiel des Siebzehnecks nach der genannten Methode zum Abschluss bringen. Wir machen dort weiter, wo wir vor dem allgemeinen Einschub abgebrochen hatten und teilen die Perioden der Länge $8$ weiter auf: \[p_{1,0} = \zeta^1 + \zeta^9+ \zeta^{13} +\zeta^{15}+\zeta^{16}+\zeta^{8}+\zeta^{4}+\zeta^{2}\eqncomma\] \[p_{1,1} = \zeta^3 + \zeta^{10} + \zeta^{5}+\zeta^{11}+\zeta^{14}+\zeta^{7}+\zeta^{12}+\zeta^{6}\eqndot\] ergibt \[p_{2,0} = \zeta^1 + \zeta^{13} +\zeta^{16}+\zeta^{4}\eqncomma\] \[p_{2,2} = \zeta^9 +\zeta^{15}+\zeta^{8}+\zeta^{2}\eqndot\] \[p_{2,1} = \zeta^3 + \zeta^{5}+\zeta^{14}+\zeta^{12}\eqncomma\] \[p_{2,3} = \zeta^{10} +\zeta^{11}+\zeta^{7}+\zeta^{6}\eqndot\] Warum wir die aus $p_{1,0}$ hervorgegangenen Perioden mit $p_{2,0}$ und $p_{2,2}$ bezeichnet haben, wird später klar werden, momentan kann man das einfach als willkürliche Notation akzeptieren. Damit ergeben sich zwei Multiplikationstabellen für $p_{2,0} \cdot p_{2,2}$ und $p_{2,1} \cdot p_{2,3}.$ Wie oben schreiben wir nur die Exponenten hin:

$\times$ 1 13 16 4
9 10 5 8 13
15 16 11 14 2
8 9 4 7 12
2 3 15 1 6

sowie

$\times$ 3 5 14 12
10 13 15 7 5
11 14 16 8 6
7 10 12 4 2
6 9 11 3 1

Man sieht, dass in beiden Multiplikationstafeln alle Exponenten mit der Vielfachheit $1$ vorkommen. Es ist daher \[p_{2,0} \cdot p_{2,2} = p_{1,0} + p_{1,1} = p_{0,0}\] und \[p_{2,1} \cdot p_{2,3} = p_{1,0} + p_{1,1} = p_{0,0}\eqndot\]

Setzt man in die Lösungsformel für quadratische Gleichungen, die wir oben entwickelt haben, für $x_0+x_1$ bzw. $x_0\cdot x_1$ jeweils $p_{2,0}+p_{2,2} = p_{1,0}$ bzw. $p_{2,0} \cdot p_{2,2} = p_{0,0}$ ein, erhält man \[p_{2,0} = \tfrac{p_{1,0} + \sqrt{p_{1,0}^2 - 4p_{0,0}}}{2}\eqncomma\] \[p_{2,2} = \tfrac{p_{1,0} - \sqrt{p_{1,0}^2 - 4p_{0,0}}}{2}\] und analog für $p_{2,1}$ und $p_{2,3}$ \[p_{2,1} = \tfrac{p_{1,1} + \sqrt{p_{1,1}^2 - 4p_{0,0}}}{2}\eqncomma\] \[p_{2,3} = \tfrac{p_{1,1} - \sqrt{p_{1,1}^2 - 4p_{0,0}}}{2}\eqncomma\] wobei wir momentan wieder offen lassen, warum wir die Vorzeichen der Wurzeln genau so verteilt haben.

Damit sind wir fast fertig, denn jetzt brauchen wir nur noch die beiden Perioden der Länge $2$ zu betrachten, die sich durch Aufteilung von $p_{2,0}$ ergeben: \[p_{3,0} = \zeta^1 + \zeta^{16}\eqncomma\] \[p_{3,4} = \zeta^{13} +\zeta^{4}\eqndot\] $p_{3,0}$ ist, wie wir oben gesehen haben, die gewünschte Größe $2\cos(2\pi/17),$ für die Begründung der Bezeichnung von $p_{3,4}$ bitten wir wieder um etwas Geduld.

Es ist also \[p_{3,0} + p_{3,4} = p_{2,0}\] und für das Produkt $p_{3,0} \cdot p_{3,4}$ haben wir die Multiplikationstafel

$\times$ 1 16
13 14 12
4 5 3

Eine kurze Suche in den Perioden der Länge $4$ lässt uns fündig werden und wir haben \[p_{3,0} \cdot p_{3,4} = p_{2,1}\eqncomma\] so dass sich die Lösungen \[p_{3,0} = \tfrac{p_{2,0} + \sqrt{p_{2,0}^2 - 4p_{2,1}}}{2}\eqncomma\] \[p_{3,4} = \tfrac{p_{2,0} - \sqrt{p_{2,0}^2 - 4p_{2,1}}}{2}\] ergeben.

In den Ausdruck für $p_{3,0}$ lassen sich sukzessiv die Ausdrücke für $p_{2,0}, p_{2,1}, \dots$ usw. einsetzen, so dass man schließlich für $\cos(2\pi/17) = \frac{1}{2}p_{3,0}$ einen reinen Quadratwurzelausdruck mit rationalen Koeffizienten bekommt. Im Kap.7 ist für das reguläre Siebzehneck diese Ersetzung vollständig durchgeführt.

Man sieht, dass es vom jungen Gauß sehr weise war, sich auf die Konstruktionsanweisung für das Siebzehneck zu beschränken, denn schon beim 257-Eck wären die Tabellen derart voluminös, dass man kaum die Übersicht behalten kann. Gleichzeitig ist der Algorithmus an sich aber so einfach, dass er nach einer Behandlung durch ein Programm geradezu schreit – und genau das soll im übernächsten Kapitel entwickelt werden.